Wir befinden uns im Jahre 2014. Es ist Juni. Ganz Deutschland sitzt vor dem Fernseher und fiebert mit, wenn schwitzende Männer auf brasilianischen Rasenflächen Leibesübungen vollziehen… Ganz Deutschland?

Nein! Eine beachtliche Anzahl kunstinteressierter Hobbykuratoren verfolgt nicht etwa die Anzahl der gefallenen Tore im weit entfernten Südamerika, sondern die Menge der Likes für Kunstwerke – sie hoffen und leiden nicht nur mit ihren Lieblingskünstlern sondern stimmen selbst ab wer denn nun Weltmeister wird.

Parallel zur Fußball-WM in Südamerika startete im Internet Pablo & Pauls Art World Cup und die Kunst-Meisterschaft war ein voller Erfolg.

22 Künstlerinnen und Künstler aus sieben verschiedenen Nationen stellten sich dem Urteil der Facebook Crowd. Die Plattform für zeitgenössische Kunst wagte damit den Blick über den Tellerrand und konnte neue internationale Künstlerinnen und Künstler für sich gewinnen. Den Teilnehmenden wurde ermöglicht ihre Arbeiten einem breiten Publikum online vorzustellen. Die sechs Gewinner und Gewinnerinnen dürfen sich nun an einer Gruppenausstellung in München beteiligen. Eine der Teilnehmerinnen brachte es mit folgenden Zeilen auf den Punkt: „Der Art World Cup ist für alle – egal ob Gewinner oder Verlierer – eine Möglichkeit im Freundeskreis auf die eigene künstlerische Arbeit aufmerksam zu machen. Vor allem auch bei Leuten, die normalerweise nie zu einer Ausstellung gehen würden.“

Gab es Zweifel? Natürlich. Gab es Kritik? Zuhauf.

Die Entscheidung ob mir ein Bild gefällt oder nicht ist meist in wenigen Sekunden getroffen. Ein Frauenfuß, gejagt von einem Wolf? Gefällt mir. Regentropfen an einer Scheibe, gemalt? I Like. Großformatige abstrakte Malerei? Gefällt mir. Der Weg zum Gefällt-mir-Button beansprucht wohl nur einen Bruchteil einer Sekunde. Erdhaufen oder Mondlandschaft, nicht eindeutig erkennbar? I Like. Knallgrün im Kindergesicht? Gefällt mir. Schwarze Zeichnung mit Menschenfigur? I Like. Klar liegt es da auf der Hand zu befürchten, dass eine Abstimmung über Kunst im Internet eine ziemlich oberflächliche Sache wird und eine Ausstellung mit Kunst, die ausschließlich gefällt wohl eher grottenlangweilig wird. Noch dazu treten Künstlerinnen und Künstler nach der Gruppenphase in direkten Duellen gegeneinander an.

Böse Zungen vergleichen dieses Vorgehen mit wilden Tierkämpfen im Kolosseum.

Doch die Zweifel wurden überraschend schnell weggeblasen und die Kritiker überzeugt, denn der Art World Cup nahm qualitative und quantitative Ausmaße an, die sich selbst das Team von Pablo & Paul so nicht vorgestellt hatte. Den Facebook Usern die Auseinandersetzung mit Kunst zuzutrauen und Ihnen den Auswahlprozess zu überlassen war eine mutige Entscheidung. Doch spätestens als sich die Kuratorinnen von Pablo & Paul die ausführlichen Portfolios der Gewinnerinnen und Gewinner durchsahen waren auch sie überzeugt. Denn hinter vielen Bildern, die schon auf den ersten Blick überzeugten, steckt nach einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Oeuvre der Künstlerinnen und Künstler weitaus mehr als vermutet.

Auch die kritisch beäugte Entscheidung, Künstlerinnen und Künstler in einem öffentlichen Wettkampf gegeneinander antreten zu lassen, entpuppte sich als weitaus weniger problematisch als befürchtet.

Im Vordergrund standen vielmehr freundschaftliches Wetteifern und gegenseitige Unterstützung. Kommentare wie „Is there a love it button?“ und „absolut likenswert“ wurden gepostet und es bildeten sich Art World Cup Subgruppen um den persönlichen Favoriten voran zu bringen und zur Belohnung für abgegebene Stimmen wurde dann schon mal mit selbstgemachtem Beeren-Minze-Honig-Eis gelockt. Ausgeschiedene Künstlerinnen und Künstler animierten nicht selten ihre Fans dazu nun für andere künstlerische Positionen zu stimmen. So zeigte sich schon während des Art World Cup, dass es um weitaus mehr geht als nur Gefällt mir. Nun hat die Welt also ihre Meister, sowohl im Fußball als auch in der Kunst, und ganz Deutschland sitzt in einem tiefen, schwarzen Nach-WM-Loch… Ganz Deutschland? Nein! Das Kuratorinnenteam von Pablo & Paul arbeitet eifrig daran noch einen Schritt weiter zu gehen. Im September werden Werke der Gewinnerinnen und Gewinner des Art World Cups in einer offline Ausstellung in München gezeigt. Mit dabei sind illustrierte und illustre Geschichten von Anna Jęchorek, märchenhafte Fotografien von Laura Zalenga, bewegende Großformate von Alexander Zerr, Eveline Kooijmans überraschend tiefgründige Foto- und Recherchearbeiten, Brigitte Yoshiko Pruchnows Bilder von Oberflächen und dem, was darunter liegt sowie erschreckend berührende Malereien von Thomas Kinzel. Wir freuen uns schon sehr auf die Ausstellung

 Beyond I Like 

Vernissage am DI, 16. September, 19.30 

Ausstellung vom 17.-28. September / DO, FR 16.00 – 20.00 / SA, SO 13.00 – 19.00

in den Räumlichkeiten des artLABOR, Buttermelcherstraße 5, München / Eingang Klenzestraße

 

 

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