Unsere Mitarbeiterin Josephine hat Alescha Birkenholz, einen Fotografen und einen unserer Künstler bei Pablo & Paul, zum Interview getroffen.

 

Alescha, du hast nicht nur Kunstgeschichte, sondern auch Psychologie und Philosophie studiert. Spielen philosophische Gedanken in deiner Arbeit eine Rolle?
Essenziell. Es entsteht keine Arbeit ohne einen philosophischen Gedanken. Es kann sein, dass zuerst das Motiv kommt und daraus ein philosophischer Gedanke entsteht, aber es kann auch genau anders herum sein, dass ein philosophischer Gedanke da ist und dann erst das Motiv gesucht wird. Equivalente beispielsweise ist eine ganz alte Geschichte. Das erste Mal begegneten sie mir vor sechs Jahren, als ich in London auf der Straße stand. Ich sah hoch, die Sonne schien noch und eine halbe Stunde später war sie weg, da so viele Kondensstreifen stehen blieben, dass es bewölkt wurde. Das hat mich total beeindruckt. Mit diesem Eindruck lebe ich dann manchmal Jahre, manchmal nur einige Zeit und dann dauert es aber noch, bis der Gedanke entsteht, wie ich diesen Eindruck einbinden kann. Es ist immer von einem Konzept getragen. Es entsteht keine Fotografie ohne Konzept.

 

Alescha Birkenholz - Equivalente 2.0 der Flirt
Alescha Birkenholz – Equivalente 2.0 der Flirt

 

Pablo & Paul hat vor allem Serien von dir im Portfolio, in denen du dich mit Natur beschäftigst, in die der urbane Raum eingreift. Ist dir das ein besonderes Anliegen?
Eigentlich beschäftige ich mich nicht mit Natur im urbanen Raum, sondern es geht mir vielmehr um die Individualität. Wir leben seit dem Millennium in einer Zeit, in der Individualität nicht nur das Privileg von einigen wenigen ist, sondern zum Allgemeingut geworden ist. Gut erkennt man das an der Verlagerung raus auf die Straße. Ich sage gerne: Das Massensterben der Hobbykeller und die Massengeburt der Straßencafés. Diesen Feststellungsrahmen habe ich für mich getätigt und auf den versuche ich zu reagieren, da ich der Meinung bin, dass ein Künstler nicht ausschließlich politisch reagieren muss. Gegenstand des Künstlers ist es, wie und in welcher Art und Weise er seine Umgebung wahrnimmt. Das kann rein emotional oder intellektuell erfolgen. Hier würde ich mich mehr als Intellektueller sehen, schon gerade deshalb, weil die Fotografie für mich ein intellektuelles Medium darstellt und kein emotionales. Im Hinblick auf deine Frage, warum ich nun Natur fotografiere: Ich könnte natürlich auch Menschen fotografieren, würde mich hierbei aber immer nur in Partikularen bewegen. Das würde bedeuten, ich würde einzelne Menschen herausnehmen und damit die Aussage vertreten, diesen repräsentativ für das, was ich mir denke, ausgewählt zu haben. Da denke ich mir aber, dass das nicht möglich ist. Ich würde sagen: Das ist Individualität. Jedoch versuche ich in meiner Fotografie schon den Punkt zu erreichen, indem ich eine „Das ist…“ – Aussage treffen kann. Darum bediene ich mich anderer Mittel, die ich fotografiere.

 

Nach deinem Studium hast du dich zum Fotografen ausbilden lassen. Gab es ein Schlüsselerlebnis zu dieser Entscheidung?
Eigentlich nicht. Bevor ich 30 war, habe ich nur zwei Rollen Film fotografiert. Eine Rolle habe ich entwickeln lassen und die andere Rolle habe ich belichtet weggeschmissen. Es hat mich nie interessiert. Ich wollte immer Maler werden. Ich habe viele Jahre gemalt, wollte auch an die Kunstakademie, habe mich aber doch dagegen entschieden, weil es mir viel zu unintellektuell war und zu emotional. So habe ich mich entschlossen, Kunstgeschichte zu studieren, habe aber nebenher immer noch gemalt. Ich kam dann zu einem Punkt, an dem ich festgestellt habe, dass die Malerei doch nicht das Richtige für mich ist. Fotografie ist die Auseinandersetzung mit der Außenwelt und das ist für mich ein Gespräch, das ich als Künstler führen möchte. Ich diskutiere mit ihr. Fotografie ist für mich ein Dialog, der sich mir eröffnet und mir einen kreativen Austausch bietet.

 

Aber wenn dir Fotografie gar nicht lag, wie kam es dann dazu, dass du angefangen hast, zu fotografieren?
Ich kam ganz trivial zur Fotografie: Ich war ganz einfach begeistert. So wie wenn man sich in jemanden verliebt, so habe ich mich in die Fotografie verliebt. Du kannst jemanden schon Jahre kennen und auf einmal legt sich ein Schalter um und man sieht den Menschen mit neuen Augen. So ging es mir mit der Fotografie, Liebe auf dem ersten Klick. Dann wusste ich, ich muss noch eine zweite Ausbildung machen und Fotograf werden.

 

Alescha Birkenholz - Olivenhain
Alescha Birkenholz – Olivenhain

 

Du gehst durch die Welt und scheinst einen Blick dafür entwickelt zu haben, was andere übersehen: Kondensstreifen oder die Blumen am Straßenrand.
Auch ich bin anfangs womöglich Jahrzehnte lang an blühenden Wiesen in der Stadt vorbei gelaufen. Es hat keinen größeren Eindruck hinterlassen. Ich sehe natürlich mehr als andere Leute, das ist mein Beruf. Jedoch habe ich keinen anderen Blick als andere Menschen. Auf einmal taucht eine Wertigkeit auf. Ich fahre dann zu der Wiese, hole die Blumen nach Hause, arrangiere sie und stelle sie auf. Schlussendlich fotografiere ich sie ab, ein unglaublich langer Prozess. Vielleicht sehe ich nicht mehr als andere, vielleicht mache ich mir einfach mehr Mühe.

Lieber Alescha, herzlichen Dank für das spannende Gespräch!

Equivalente und weitere Arbeiten von Alescha Birkenholz findet ihr in unserem Online Shop.

 

 

Share on FacebookTweet about this on TwitterPin on PinterestShare on Google+